Die Computer-Bild-Notfall-CD 3.0

ComputerBild Notfall-CD 3.0

ComputerBild Notfall-CD 3.0

Wie üblich bootet ein Linux-System. Es verbirgt seine Tools unter einer Bild-mäßig vereinfachtesten Oberfläche. Sechs Features laden zum Gebrauch ein:

Notfall-CD

Die >>assistenten-gesteuerte Problemlöser-Funktion<< entpuppt sich als aufgabenorientierte Toolverbergung.

  • Windows-Crash flicken: Die CD kann hier die Festplatte überprüfen (naja…) oder den Bootloader reparieren. (Nichts, was die Windows-Notfall-CD nicht auch könnte.) Kurios ist, dass die CD hier zum Beispiel ein Problem mit einem fehlenden NTLDR gar nicht beheben kann, obwohl der Menüpunkt das suggeriert. Stattdessen darf sich der Nutzer dann durch ein unhandliches PDF mit einer Hilfebeschreibung zoomen – das obendrein ausschließlich auf Vista Bezug nimmt. Quark.
  • Virenscan: Die Notfall-CD startet hier einen Kaspersky-Virenscanner, aber keineswegs mit dem Umfang, wie ihn die Kaspersky-Rettungs-CD bietet. (Gibt es auch gratis, zum Beispiel bei den Boot-CDs mit Virenscannern.)
Notfall-CD: mit nur einem Virenscanner

Notfall-CD: mit nur einem Virenscanner etwas dünn ausgestattet...

  • Datei-Recovery: Die Computer-Bild Notfall-CD 3.0 kann gelöschte Dateien wiederherstellen, besser gesagt kann es das dafür eingesetzte PhotoRec. Die Methode, einfach *alle* gelöschten Dateien (eines Typs, mehrere Typen, alle) zu restaurieren (auf ein zweites Drive), ohne einzelne aussuchen zu können, erscheint mir schon etwas grob gezimmert. Nach einem GAU aber sicher den Versuch wert, nach dem Motto: Erst retten, dann prüfen, ob es überhaupt nötig war*. (Gibt’s gratis im Ubuntu Rescue Remix.)
  • Löschen: Die „Notfall-CD“ kann Partitionen schnell löschen oder sicher löschen, also shreddern/wipen, optionsfrei und ohne Info, was genau passiert. (Man darf es allerdings nicht „nur mal ansehen“, denn die Nutzerführung ist eine Einbahnstraße ohne Rückweg zum Menü.) (Den bootbaren Shredder gibt’s gratis zum Beispiel als Dariks Boot and Nuke.)
Notfall-CD: sicheres Löschen

Symptomatisch: Ja, das sicheres Löschen mag funktionieren, aber wie genau - das bleibt im Nebel der Vereinfachung verborgen, wie bei vielen der Bestandteile.

  • Windows-Hack: Ja, Sie haben richtig gehört. In einem Land, das Ihnen via Hackerparagraf Ihre Informationsrechte beschneidet, darf die Computerbild sich eine CD aufs Heft pappen, mit der Sie jedes Windows knacken können. Dabei wird von einer wählbaren Installation das Passwort eines wählbaren Kontos „zurückgesetzt“ – das reicht ja, um sich anschließend als Admin anmelden zu können. (Gibt es auch gratis, etwa bei entsprechenden Rescue-, Admin-, Hack-, Forensik- und Penetrationstest-Boot-CDs.)
  • Daten sichern und zurückspielen: Darunter versteht die CB ein ganz ordinäres Drive Copy, also keineswegs das Zurückspielen zum Beispiel einer Windows-Abbilddatei oder ein geordnetes Image-Backup. (Gibt’s es auch gratis, etwa CloneZilla Live clonezilla.org oder PartedMagic partedmagic.com.)
>>Die einfachste Notfall-CD der Welt<<

>>Die einfachste Notfall-CD der Welt<<

Fazit Computerbild Notfall-CD 3.0: Naja…

Die Notfall-CD 3.0 muss man nicht haben: es gibt kostenlose Alternativen. Das allein wäre sicher kein Gegenargument, denn die CD selber kostet ja auch nur ein paar Cent – doch die Alternativen sind tatsächlich auch noch besser.

Doch besonders „einfach“ ist diese Notfall-CD allerdings auf jeden Fall – der Preis dafür sind allerdings geringe Flexibilität, wenig Transparenz und reduzierter Funktionsumfang. Für absolute Einsteiger, die keine ISO-Datei downloaden und brennen können, ist sie aber möglicherweise nicht das schlechteste und kann missmutig in den Bart gebrummelt als durchaus nicht völlig unbrauchbar bezeichnet werden. (Die Ausgabe ist vom 3.1. und liegt 14 Tage auf Halde – man kann also noch zugreifen.)

Für meinen persönlichen Geschmack wird die Vereinfachung hier aber zu weit getrieben. Hätte ich aber die 2,70 nicht schon abgedrückt, ich würde es nun nicht mehr tun – ich hatte wirklich die aufrechte Hoffnung, da wäre was ganz tolles drauf, und sei es nur eines der sechs wesentlichen Features, welches die CD einzigartig macht. Speziell der Umstand, dass nur ein Virenscanner zum Zuge kommt, ist schon sehr mager – da hat(te) man von der c’t-CD desinfec’t (vergriffen) deutlich mehr.

PS: Der enthaltene Film “The Glass House” liefert zwar nur klischeegerechte Genrekost, ist aber ein durchaus spannender Suspense-Thriller ;-)

* Nachtrag: Aus einer Laune heraus shredderte ich das Laufwerk C einer virtuellen Maschine, kippte ein paar Bilder drauf und eine Exe drauf und löschte diese, anschließend ließ ich das “retten”: Das Ergebnis waren “gerettete” 5,75 GByte in über 35.000 Dateien in 71 Verzeichnissen (Laufwerk C: enthielt überhaupt nur 9,5 GByte Daten…). In diesen die geretteten Bilder zu finden war mir die Mühe nicht wert. Kann natürlich irgendwie an VirtualBox liegen, aber mir will das nicht als brauchbar erscheinen…

Andreas Winterer

Andreas Winterer ist Journalist, Buchautor und Blogger und beschäftigt sich seit 1992 mit Sicherheitsthemen. Auf unsicherheitsblog.de will er digitale Aufklärung zu Sicherheitsthemen bieten – auf dem Niveau 'normaler Nutzer' und ohne falsche Paranoia. Auf der Nachbarseite passwortbibel.de geht's um Passwörter. Bitte kaufen Sie eines seiner Bücher.

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