Goodbye, Google Mail!
Aus beruflichen Gründen habe ich früher mindesten ein Mal pro Jahr einen “Vergleichstest Webmail-Anbieter” geschrieben. Entsprechend hatte ich bei jedem dieser Dienste schon sehr früh mindestens ein Konto. Web.de und GMX mutierten in Sachen Freemail schnell zu unbrauchbaren Werbeplattformen, Yahoo! und Hotmail fand ich nie so richtig brauchbar (ist inzwischen wieder besser, Outlook.com überraschend gut), und T-Online ging gar nicht (inzwischen würde ich es empfehlen, ist wirklich nicht schlecht). Doch schnell landete ich bei Google Mail.
Google Mail war (und ist) einfach der beste Webmail-Dienst, den es gibt. POP3, IMAP, SSL. Dazu Filter, Kontakte, Aufgaben, Speicherplatz, Label-statt-Ordner, kein Problem mit Mega-Anhängen, und und und. Ich fand den Dienst so nützlich, dass er mir für zahlreiche weitere Dienste als Oberfläche diente. Denn GMail ist einerseits ein Webmail-Dienst, andererseits ist es eigentlich auch ein Browser-Mail-Client. Es war bei mir das erste Fenster, wenn der Browser startete (nachdem iGoogle dichtgemacht worden war).
Doch leider, ach, ergaben sich zwei, drei Probleme.
1. Google Mail wird immer schlechter
Mit einer Konsequenz, die ich als ganz, ganz alter IT-Hase nur verwunderlich finden kann, verschlechtert sich Google und auch Google Mail seit Jahren. Ja: Natürlich ist es völlig üblich, dass Nutzer sich über jede Neuerung aufregen und eine Facebook-Gruppe dagegen gründen wollen. Aber jemandem wie mir, der einfach schon 300 Mailfilter hat, einen “sortierten Maileingang” mit fünf Labels aufzudrücken, der auf dem deutschen Markt nicht funktioniert, ist einfach unnötig. Und ich will auch nicht meine Google-Plus-Kontakte in Google Mail sehen (und auch nicht in Google Talk, jetzt “Hangouts”).
Aber, um auch das ganz ehrlich zu sagen: Es hätte mich nicht gestört, Google Mail war und ist trotz aller Verschlimmbesserungen immer noch der beste Webmail-Dienst auf Erden. Auch jetzt noch. (Leider.) Auch die App ist hervorragend, für iOS ebenso wie für Android.
Aber es kommt hinzu:
2. Der ganze NSA-Abhör-Shit samt Big-Data-Sammelwut
Da habe ich einfach keinen Bock mehr drauf, zumal Google ja auch zunehmend dazu neigt, das dadurch akkumulierte Wissen nicht mehr zu teilen (man denke etwa an das alte Google Insights versus dem, was davon übrig blieb).
Nun könnte ich ja sagen: Ist nur meine Sache. Ich kenne das Risiko, ich kann es eingehen, für mich. Selbst ich als Sicherheits”enthusiast” hätte das so handhaben können. Denn wer mich “secure” erreichen will, der kann das tun – an Google vorbei. Die Möglichkeiten sind zahlreich.
Doch leider ist das nicht ganz so einfach.
Bei Recherchen zu was anderem stieß ich auf diesen Beitrag: Google Has Most of My Email Because It Has All of Yours, und das war das ausschlaggebende Moment. Meine Güte, der Mann hatte völlig recht! Ich war naiv gewesen, weil ich das wirklich völlig übersehen hatte: Es sind ja nicht nur meine Mails, die bei Google Mail durchgehen – und von der gesamten Spionagewertschöpfungskette ab AdSense bis NSA “gescannt” werden (die wahre Bedrohlichkeit bzw. Harmlosigkeit dieses Problems sei hier mal außer acht gelassen), es sind auch die Mails aller Personen, die mit mir mailen. Sie alle wurden, weil das für mich bequem war, in den Google-Mail-Strudel eingesaugt, ihre Nachrichten verarbeitet. Ohne, dass sie davon wussten.
“Ist halt so.”
“Machen ja alle.”
“Mir wurst, hauptsache praktisch.”
war für mich damit keine Option mehr.
Diese Überlegung war der Grund für mich, das alles wieder auseinanderzupflücken. Es dauerte wirklich Wochen (natürlich nicht Vollzeit), weil ich etliche Konten habe (auch mehrere GMail-Konten). Ich habe nun wieder ganz brav einen lokalen Mail-Client und die Sync ist dank IMAP kein Problem (IMAP war, das muss man schon dazu sagen, vor 10 Jahren noch nicht so einfach und verfügbar).
Fühle ich mich jetzt “sicherer”?
Nein. Denn es war mir ehrlich gesagt trotzdem egal, dass Google meine Mails hat. Denn jeder andere Mail-Provider hat sie ebenfalls, und das meiste findet ja doch unverschlüsselt statt (Anzahl der PGP-Mails von Unbekannten an meine Adresse: 0).
Doch ich wollte nicht meine Mitmenschen dazu zwingen, es mir gleichzutun, ohne davon zu wissen. Daher ist GMail bei mir aus dem Spiel (nur für Newsletter und so Zeug)
3.Googlemail = Schnüffelmail
Das blutige Fanal: Heute lese ich hier / hier, dass Google Mail offenbar automatisch Benutzer mit Kinderpornobildern an Behörden meldet.
Mit den betroffenen Tätern habe ich wenig Mitleid. Allerdings bin ich froh, nicht mehr einen Dienst zu nutzen, der in meinen Mails herumschüffelt. Wer es heute für A tut, tut es morgen für B.
Googlemail, der beste Webmailer wo gibt, ist hiermit für mich offiziell Schnüffelmail.
(Zusammen mit Microsoft Hotmail/Outlook.com.)
Und daher sage ich mit weinendem Auge: Goodbye, Google Mail!
Und:
Wie halten Sie es?
Übrigens:
Wenn Personen sich (angeblich) schon verdächtig machen, weil sie Mails verschlüsseln oder Tor nutzen – würde man sich dann nicht auch schon verdächtig machen, wenn man aufhört, GMail zu verwenden?