Angezapfte Webcam abkleben: mit Cam-Stickern

Fangen wir mit der einfachsten Lösung an: Pappen Sie einfach ein Stück Haftnotiz auf das glotzende Auge. Hier die umfangreiche Do-it-Yourself-Anleitung:

Anti-NSA-Webcam-Deaktivierungs-Infrastruktur

Anti-NSA-Webcam-Deaktivierungs-Infrastruktur

Diese komplexe, plattformunabhängige, skalierbare Open-Source-Sicherheitsarchitekturlösung fahre ich seit Jahren erfolgreich, teils auch mit Gaffer-Tape. Gelegentlich haben mich Menschen angesprochen und sehr befremdet reagiert, wenn ich ihnen gesagt habe, dass theoretisch jede Kamera natürlich anzapfbar ist. “Wer sollte mich anzapfen wollen?“. Genau: Wer sollte Webcams hacken wollen? Die wenigsten Frauen werden sich ja allabendlich vor dem aufgeklappten Gerät die Seidenstrümpfe ausziehen (leider).

Neu: soomz.io-Kameraabdeckung

Inzwischen gibt es natürlich auch ein eigenes Startup namens soomz.io, das eine bunte Webcam-Abdeckung aus Polypropylen produziert. Bizarr, aber so ist die Welt halt.

Die praktischen Cam-Abdeckungen (in schwarz, metall, bunt) klebt man über die Kameralinse und kann dann mit einem Schieber die Kamera auf und zu machen (Anleitung). Zu haben bei Amazon, 5er-Pack für 9,90€.

Webcam-Abdeckung (5er-Pack) Candy Cast von soomz.io

Webcam-Abdeckung (5er-Pack) Candy Cast von soomz.io

Websticker der Bundesregierung

Das BMFSFJ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) hatte einen Schritt weiter gedacht und bietet bot im hauseigenen Webshop die Webcamsticker-Karte STOP GEHEIM! an. Das Gratis-Set enthäielt zwei Sticker, man kann konnte bis zu fünf Sets bestellen:

Kleine Lauschabwehr der Bundesregierung

Kleine Lauschabwehr des Familienministeriums

Gibts wohl leider nicht mehr. Wahrscheinlich hatten irgendwelche Nassauer breit Sticker abgeschnorrt (und auf eBay weiterverkauft), statt zu den Lösungen der Privatwirtschaft zu greifen:

Webcam Cover, Camblock, Camsticker

Auch Amazon bietet solche Aufkleber an, dort kriegt man für knapp 5 Euro ein Set “Webcam Cover/Camblock” mit 5 Webcam-Aufklebern, wahlweise in angenehm diskreten schwarz, weiß, neutral oder mit lustigen Motiven. Wer diese Version mit der des BMFSFJ vergleicht, darf den gleichen Hersteller vermuten.

Die Redaktion von UnSicherheitsblog.de hat natürlich keine Kosten und Mühen gescheut, hier die Version “neutral“, die nicht ganz so schreiend ist wie die mit Motiven, und die auch einen diskret schwarzen Sticker enthält:

Webcam Cover

Webcam Cover der Privatwirtschaft (‘neutral’)

Real-Life-Labor-Test

So siehts (schlecht geknipst) aus:

aktivierte Tablet-Glotzangriff-Abwehr

aktivierte Tablet-Glotzangriff-Abwehr auf Android (vorne), iOS (hinten)

Massenabklebung für Schulen, Unternehmen, etc.:

Vielzwecketiketten, rund, schwarz, preiswert

billiger: Vielzwecketiketten

Hier könnte man sich – raffiniert! – selbst helfen und einfach Vielzwecketiketten, rund, schwarz nehmen – die gibt es in 8 Millimeter (etwas klein, aber für typische Tablet-Cams ausreichend) und 12 Millimeter (etwas groß, sicherer, weil, äh, “höherer Abdeckfaktor”, auf einigen Notebooks aber gewiss auffälliger), aber dafür schön billich. Es fehlt ihnen allerdings das Feature “Nippelchen zum Abziehen des Aufklebers”. Und während der Klebstoff auf dem Gorillaglas von Tablets kein Problem darstellen sollte, weiß man nicht, wie das Plastik eines Notebooks darauf reagiert.

Doch inzwischen hat auch der Industriestandort Deutschland den Bedarf an Anti-NSA-Aufklebern erkannt und mit speziellen 50er-Packs reagiert:

'Camsticker', 50er-Pack

‘Camsticker’, 50er-Pack

Die “Camsticker” haben das hochwichtige & komfortable Nippelchen zum Abziehen, kosten aber dennoch nur 5 Euro pro 50-Stück-Packung. Da hat man garantiert in zehn Jahren noch welche. Und man kann damit auch noch allen störenden Leuchtdioden und Blink-LEDs des Standby-Elektronikparks abkleben …

Testurteil: runde Sache

Ich habe drei der Cam-Sticker (zwei des Familienministeriums, eines aus dem 5-Euro-Webcam-Cover-Set) schon seit Wochen im Einsatz; funktioniert einwandfrei. Sie lassen sich bei Videochats abziehen und danach wieder aufkleben. Natürlich ist die Version “Webcam Cover / Camblock” eine ziemliche Geldschneiderei; aber diese Sticker sehen wenigstens witzig nett aus. Und jeder hat ja die Wahl, einfach Gefrieretiketten zu nehmen oder ein Stück Aufkleber sonstwo abzuschneiden.

Bezugsquellen:

Haben Sie was zu verbergen?

Bald haben wir aber sicher ohnehin so viele Überwachungskameras, dass uns die Webcams auch nichts mehr ausmachen werden, zumal irgendwelche Idioten sich ja nicht zu schade sind, die Post-Privacy-Ära auszurufen.

Hier ein frei erfundener Dialog im Zug:

  • “Sie haben ja Ihre Cam abgeklebt.”
  • “Ja. Und?”
  • “Warum denn? Haben Sie was zu verbergen?”
  • “Nein, ich möchte nur nicht, dass man mich anglotzt und überwacht.”
  • “Warum? Tun Sie etwa etwas Illegales?”
  • “Geht Sie nichts an. Ich will es einfach nicht.”
  • “Haben Sie denn kein Vertrauen in Ihren Staat? Den haben Sie doch mitgewählt!”
  • “Mag sein. Ich will es trotzdem nicht.”
  • “Tja. Na ja. Ihre Lösung ist ohnehin nicht sicher. Die Cam da drüben zeichnet Sie ja auch auf. Ebenso NSA-Satelliten, Google Glass, Google Streeview, Supermarktassen, und so weiter … der Aufkleber suggeriert Ihnen falsche Sicherheit … ich sags ja nur.”
  • “Danke. Mag sein. Sie können sich ja gerne eine Cam in die Klobrille schrauben. Aber meine Cam klebe ich eben gern ab.”
  • “Irgendwie auch verdächtig. Eine Studie der University of Irgendwas hat gezeigt, dass es eine Korrelation gibt zwischen Webcam-Abklebern und Terrorverdächtigen / Kinderschändern. Also, wenn ich Sie wäre, würde ich den Aufkleber lieber mal ganz schnell entfernen.”
  • “Und wenn ich Sie wäre, würde ich mir jetzt gerne eine reinhauen.”

Analog zum einst wirklich ernsthaft diskutierten “Verschlüsselungsverbot” kommt eines Tages vielleicht ein “Verbot der Cam-Abklebung” …

PS: Ich suche noch Methoden zur “Mikrophon”-Abschaltung. Eigentlich müsste ja ein abgesägter 3,5-mm-Klinkenstecker reichen, aber “chic” sieht das nicht aus …

Andreas Winterer

Andreas Winterer ist Journalist, Buchautor und Blogger und beschäftigt sich seit 1992 mit Sicherheitsthemen. Auf unsicherheitsblog.de will er digitale Aufklärung zu Sicherheitsthemen bieten – auf dem Niveau 'normaler Nutzer' und ohne falsche Paranoia. Auf der Nachbarseite passwortbibel.de geht's um Passwörter. Bitte kaufen Sie eines seiner Bücher.

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