Klage gegen: Herr … Abmahn-Freikaufs-Betrug per Spam

Am Wochenende flattert mir folgende Mail ins Haus:

… bla, bla… da schaut man natürlich schon erst mal blöd aus der Wäsche, wenn man so was liest:

Gegenstand unserer Beauftragung ist eine von Ihrem Internetanschluß aus im sogenannten Peer-to-Peer-Netzwerk begangene Urheberrechtsverletzung an Werken unseres Mandanten. Unser Mandant ist Inhaber der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte im Sinne der §§ 15ff UrhG bzw. § 31 UrhG an diesen Werken, bei denen es sich um geschützte Werke gemäß § 2 Abs 1 Nr. 1 UrhG handelt. Durch das Herunterladen urherberrechtlich geschützer Werke haben sie sich laut § 106 Abs 1 UrhG i.V. mit §§ 15,17,19 Abs. 2 pp UrhG nachweislich strafbar gemacht.

Ich begann zu websuchen und mir wurde mulmig: Die vertretene GmbH ist tatsächlich eine, die zumindest 2007 dadurch aufgefallen ist, in ähnlicher Weise tätig zu sein. Auch die hier “klagende” “Anwaltskanzlei” ist tatsächlich eine, die 2007 dadurch aufgefallen ist, eben diese GmbH in genau dieser Art von Fall vertreten zu haben. Wäre ich wirklich jemand, der deutsche Pornos dieser GmbH lädt, dann geriete ich vermutlich ins Schwitzen. Wie wir aber alle wissen, sind französische Pornos besser (reine Spekulation auf Basis bekannter Klischees) und die einzige Möglichkeit, anonym Pornografie zu konsumieren, ist, Pornos im Erotik-Shop bar zu bezahlen. Selbst der diskrete “Verleihfilm” in der Videothek (hab ich selbstverständlich nur beim Mann in der Schlange vor mir gesehen) ist nicht anonym genug.

Mulmig ist einem aber trotzdem. Klage, Anwalt – das ist immer Ärger, auch wenn man im Recht oder unschuldig ist und zwei Anwälte zu seinen Freunden und einen Richter zur Verwandtschaft zählt. Aber kein Problem, denn Abhilfe naht:

Genau aus diesem Grund unterbreitet unsere Kanzlei ihnen nun folgendes Angebot:

Um weiteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und anderen offiziellen Unannehmlichkeiten wie Hausdurchsuchungen, Gerichtsterminen aus dem Weg zu gehen, gestatten wir ihnen den Schadensersatzanspruch unseres Mandanten vollständig anonym zu bezahlen. Wenn sie anonym bezahlen garantiert unser Mandant der Staatsanwaltschaft mitzuteilen das der Schadensersatzanspruch irrtümlich gegen sie gerichtet worden ist, und alle Ansprüche gegen Sie fallengelassen werden sollen. Wenn die Staatsanwaltschaft keinen Auftrag hat kann sie auch nicht tätig werden!

Wir bitten sie deshalb den Schadensersatzanspruch von 100 Euro bis zum 01.03.2010 sicher und unkompliziert mit einer Paysafecard zu bezahlen. Eine Paysafecard ist die sicherste Bezahlmethode im Internet und für jeden Bürger anonym an Tankstellen, Kiosken etc. zu erwerben. Weitere Informationen zum PaySafeCard-Verfahren erhalten Sie unter: https://www.paysafecard.com/de/. Senden Sie uns den 16-stelligen Pin-Code der 100 Euro Paysafecard an folgende E-Mailadresse zahlung@###########.de. Wir erkennen sie an ihrer E-Mailadresse und können so ihre Zahlung zuordnen.

Ich kann nicht beurteilen, ob das rechtlich überhaupt erlaubt und möglich ist, oder gar, ob man sich durch die Überweisung dieser Summe nicht irgendwie schuldig bekennt. Aber es klingt schon verlockend: 100 Euro, und man ist vom Haken (in den Fällen von 2007 waren es 250 Euro).

Und doch sollte man hier auf keinen Fall zahlen. Es handelt sich nämlich höchst wahrscheinlich um einen Betrugsversuch. Vieles deutet darauf hin.

Anzeigen für Online-Betrug:

  • “Klage” per Mail – Papier ist zwar kein Muss mehr, aber eine Mail ist (noch) unseriös.
  • Gezahlt werden soll anonym per PaySafeCard  – sehr merkwürdig. Warum nicht gleich per Western Union oder mit ‘nem Koffer in der Tiefgarage?
  • Wozu soll ich “anonym” zahlen können – im Anschreiben stehen doch bereits meine E-Mail-Adresse und mein Passwort! – Aha: Es geht hier wohl eher um die Anonymität des Geldempfängers…
  • Echte Schreiben dieser Art geben, soweit ich weiß, die IP-Adresse zur “Tatzeit” an. Hier: Nichts. Der Verdacht liegt also nahe, dass überhaupt keine konkreten Daten zu irgendwas vorliegen.
  • Echte Schreiben dieser Art geben, soweit ich weiß, die fragliche raubkopierte Datei an, also DieserPorno.mpg oder JenerSong.mp3. Hier: Nichts. Statt dessen vage: “Für ihren Anschluss sind mehrere Downloads von pornografischen Videomaterial und musikalischen Werken dokumentiert worden.”
  • Zu kurze Frist: Das Schreiben gibt sich als vom 25.2. aus (ich fand es erst später, in den Spams), die Frist ist auf den 1.3. gesetzt (heute) – das ist zu kurz, üblich sind wohl eher zwei Wochen. Es gilt die alte Regel: Wer Sie hetzt, zur Eile drängt, mit Terminen droht, der will Sie möglicherweise übers Ohr hauen.
  • Die “Kanzlei” ist des Deutschen nicht wirklich mächtig, es gibt viele Rechtschreibfehler.
  • Das Logo und der Name der “Kanzlei”, die ich hier ausblende, weil sie wohl nichts damit zu tun hat, haben nicht mit der angegebenen Webadresse und der zugehörigen E-Mail zu tun. Kanzlei AAA auf Website BBB – sehr merkwürdig.
  • Führt man eine Whois-Abfrage der Website der Kanzlei durch, stellt sich heraus, dass der Provider in Polen sitzt. Dass muss nichts heißen, gibt Verdachtsmomenten aber Nahrung.
  • Die Website zeigt  nur ein Logo, sonst nichts. (Stand heute Nachmittag: Die Website ist schon wieder weg. Ist ja auch der 1.3., die haben schon abgeräumt.)
  • Woher haben die eigentlich meine Post-Adresse, meine E-Mail-Adresse? Die Postadresse könnte von meinem DSL-Provider stammen, ja. Doch woher meine E-Mail-Adresse? Die hat mein DSL-Provider nämlich nicht. Siehe da: Es handelt sich zufälligerweise genau um jene Informationen, die einst via whois abrufbar waren. Es handelt sich anders gesagt um weitgehend öffentliche Daten, für man nicht “mit einem Antipiracy-Unternehmen zusammen”arbeiten muss, das angeblich “die einschlägigen Tauschbörsen im Internet technisch beobachtet und die IP-Adresse von Verletzern feststellt und dokumentiert.” Jede Spam-Datenbank auf Erden enthält diese Informationen.

Jetzt fällt mir nichts mehr ein. Jedenfalls: Wenn Ihnen so ein Schreiben ins Haus flattert und Sie wähnen sich unschuldig, dann erst Mal “Keine Panik!” und die Mail auf die genannten Verdachtsmomente abklopfen. Ich war wohl auch nicht der einzige, der angeschrieben wurde, wie dieser TP-Artikel zeigt.

Ich frage mal kurz halbphilosophisch: Was sind eigentlich die Gründe dafür, dass so eine Abzocke möglich ist?

  • Der Umstand, dass tatsächlich einige Juristen mit zweifelhaften Ansinnen unterwegs sind, siehe www.abmahnwelle.de und ähnliche Seiten, und das einigermaßen normale Bürger sich kaum wehren zu wehren wissen. Wir überlassen unsere Gesellschaft einem immer komplizierteren formalen System, das nur noch jene Experten durchschauen und gestalten, die ein vitales Interesse haben, es für uns weiterhin undurchschaubar zu halten.
  • Der Umstand, dass Gesetzte wie das zur Vorratsdatenspeicherung es ermöglichen, dass jeder Schritt, den wir im Internet tun, dokumentiert wird. Anders gesagt: Wer glaubt, dass er im Internet anonymer sei als im Real Life, der irrt gewaltig. Im Zusammenspiel alle Daten weiß “das Internet” bereits alles. Dass nicht Jedermann es weiß, liegt daran, dass die Daten vorher zusammengeführt werden müssen. Wir überlassen unsere digitale Gesellschaft wachsenden Horden von Datensammlern.
  • Der Umstand, dass tatsächlich viele Leute illegal Musik, Filme, Software downloaden. Ein schlechtes Gewissen ist eben leicht attackierbar…

Zwei dieser Gründe sprechen eine deutliche Sprache, nämlich dass hier was nicht stimmt.

Andreas Winterer

Andreas Winterer ist Journalist, Buchautor und Blogger und beschäftigt sich seit 1992 mit Sicherheitsthemen. Auf unsicherheitsblog.de will er digitale Aufklärung zu Sicherheitsthemen bieten – auf dem Niveau 'normaler Nutzer' und ohne falsche Paranoia. Auf der Nachbarseite passwortbibel.de geht's um Passwörter. Bitte kaufen Sie eines seiner Bücher.

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