Das Ende der Privatsphäre …

Er argumentiert dabei vor allem mit der Macht des Faktischen, also, dass man sich gesellschaftlichen Realitäten anpassen müsse, um nicht unterzugehen, und die gesellschaftliche Norm sei halt nunmal, dass Privatsphäre niemandem mehr wichtig sein. Zugespitzt: Weil ohnehin viele Anwender ihre Daten relativ bedenkenlos ins Netz stellen, weil ohnehin viele Unternehmen Daten sammeln, weil ohnehin Archivdienste im Web das Internet mit einem unlöschbaren Gedächtnis ausstatten, und so weiter – weil das alles so ist, kann man auch gleich auf jegliche Privatsphäre verzichten.

Das hat Zuckerberg so nicht gesagt, und man interpretiert vielleicht zuviel in die Aussagen dieses etwas jungen Chefs hinein – hier der Ausschnitt aus dem Interview, gefunden bei ReadWriteWeb:

Doch natürlich ist Facebook groß genug, um seinerseits Teile gesellschaftlicher Realität zu manifestieren. Und ich sehe immer öfter einen Trend, zu denken zu handeln wie oben zugespitzt beschrieben.

Doch nur weil täglich Menschen bei Rot über die Ampel gehen, braucht man noch lange nicht das entsprechende Verbot abzuschaffen. Nur weil sowieso MP3s geklaut werden, braucht man es nicht erlauben. Nur weil mich Polizei/Geheimdienst sowieso abhören kann, muss der richterliche Beschluss nicht abgeschafft werden. Kurz: Nur weil sowieso Daten anfallen, muss man sie nicht auf Vorrat speichern und beliebig umherschieben dürfen. Wer dazu noch ein paar Fremdgedanken lesen will, dem seien die deprimierendsten Orwell-Zitate aus 1984 anzuraten.

Zum Abschluss: Es ist natürlich eine ungeheure Torheit, den Wunsch der Menschen nach Privatsphäre aus dem Wunsch der Facebook-Nutzer nach Privatsphäre ablesen zu wollen. Wer auf Privatsphäre wert legt, der ist einfach nicht bei Facebook – und auch sonst nirgends. Die Wünsche der Nicht-Mitglieder werden also gar nicht bedacht, und Herr Zuckerberg ist auch kein Gesellschaftsgestalter, sondern Unternehmer. Das sollte sich jeder vor Augen halten, der allzu leicht glaubt, die “Marktforschung” (die auf social networks dank der vielen Daten so einfach ist) würde tatsächlich gesellschaftliche Realitäten abbilden. Man erinnere sich nur an die Wahlprognosen auf Xing, wo die Piratenpartei die absolute Mehrheit erhalten hätte…

Andreas Winterer

Andreas Winterer ist Journalist, Buchautor und Blogger und beschäftigt sich seit 1992 mit Sicherheitsthemen. Auf unsicherheitsblog.de will er digitale Aufklärung zu Sicherheitsthemen bieten – auf dem Niveau 'normaler Nutzer' und ohne falsche Paranoia. Auf der Nachbarseite passwortbibel.de geht's um Passwörter. Bitte kaufen Sie eines seiner Bücher.

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